Tiere sind anders als Menschen. Und das hat für Kinder viele Vorteile – kann aber auch problematisch
sein. Das heutige Loblied auf Tiere als Therapeuten und Erzieher muss deshalb auch durch kritische Töne
begleitet werden.
Für viele Kinder sind Tiere Spielkollegen, Tröster,
Kumpel und verlässliche, treue Gefährten und Partner
in allen Lebenslagen.
Tiere sind anders als Erwachsene. Und nicht jedes
Geheimnis, Erlebnis oder jeden Kummer möchten
Kinder ihren Geschwistern, Freunden oder Eltern erzählen.
Für sie sind Tiere wertvolle Gesprächspartner:
denn sie werten nicht, verraten keine Geheimnisse
und haben immer Zeit. Sie widersprechen nicht,
scheinen ohne Worte alles zu verstehen. Sie trösten,
strahlen Zuversicht aus und muntern auf.
Fühlen sich Kinder ungerecht behandelt und unverstanden,
sind Tiere vorbehaltlos für sie da, gerade
dann, wenn «alle anderen blöd sind», scheint das
Tier der einzige und beste Freund zu sein, den man
auf der Welt hat.
Als Miterzieher vermitteln und trainieren Tiere soziale
Kompetenz, Kommunikationsverhalten und soziale
Integrationsfähigkeit. Darüber hinaus leisten sie einen
wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und Darstellung
von Gefühlen, zur Stabilisierung von Stimmungsschwankungen,
aber auch zur Bewältigung von
Konflikten, kritischen Lebensereignissen, Einsamkeit
und auch zum Abbau von Aggressionen. Der Kontakt
mit Tieren entspannt, senkt den Blutdruck und hilft,
sich zu beruhigen. So werden mittlerweile auch speziell
ausgebildete Tiere erfolgreich in der Therapie
von geistig oder körperlich behinderten Kindern eingesetzt.
Auch wenn wir anerkennen, dass Tiere für Kinder von
unschätzbarem Wert sein können, so müssen wir auf
der anderen Seite einsehen, dass rundherum sehr
viele Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit
ein Heimtier überhaupt einen positiven Stellenwert
einnehmen kann.
Dies ist nur dann der Fall, wenn auch die Bedürfnisse
und Ansprüche der Tiere vollumfänglich erfüllt werden
können. Nimmt man sich aber den grossen zeitlichen
und finanziellen Aufwand, die sorgfältige Vorbereitung
und natürlich den Platzbedarf in Kauf, der
nötig ist, um Tiere artgerecht zu halten, können Kinder
und Tiere harmonische Partner werden. Kinder
sind durch eine Beziehung mit Tieren kontaktfreudiger,
selbstbewusster, ausgeglichener und nehmen
ihre Umwelt intensiver wahr.Verletzte, verhaltensgestörte und apathische Tiere
sind oft das Ergebnis einer Partnerschaft, bei der das
Tier benachteiligt wurde. Und der Grat zwischen vermeintlicher
Tierliebe und Tierquälerei kann sehr
schmal sein.
Sehr viele Kleintierpatienten werden wegen Haltungsfehlern
bei Tierärztinnen und Tierärzten vorgestellt.
Falsche Unterbringung und Haltung, zuwenig Bewegung,
nicht artgerechter Sozialkontakt, ungeeignetes
Futter, vermenschlichter Umgang etc. führen zu
Stress und Angst, Mangelzuständen, schweren Verletzungen
und zum Teil sogar zum Tod. Hier ist offensichtlich,
dass der richtige Zugang zum Tier fehlt.
Dabei ist es meist Unkenntnis, mangelnde Information,
Spontankäufe und Gedankenlosigkeit – weniger
Gleichgültigkeit, bewusste Misshandlung oder Gefühlsverrohung,
die als Ursache genannt werden müssen.
Ein weiterer Grund ist auch die zunehmende
Tendenz, Tiere zu vermenschlichen. Dies kann dann
beispielsweise auch für verletzte Wildtiere, die deshalb
falsch gepflegt werden, folgenschwer sein. Gut
gemeint, aber falsch angegangen.
Damit Kinder und Jugendliche Tiere schützen können,
müssen sie deren natürliche Verhaltensweisen,
Bedürfnisse und Ausdrucksweisen kennen- und verstehen
lernen. Erst mit diesen Kenntnissen werden
sie sich ihrer Verantwortung bewusst und können
lernen, Tieren und ihrer Umwelt durch das daraus
entstehende Mitgefühl mit Achtung und Respekt zu
begegnen.
Wie können wir Erwachsenen Kinder auf diesem Weg
begleiten? Welche Schritte in der Entwicklung eines
Kindes können wir in diese Richtung lenken?
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